Aichacher Nachrichten, 5. Mai 2007 von Christian Grimm
Aichach/Schrobenhausen Meinrad Schmitt aus Klingen, Regisseur und künstlerischer Leiter des Pegasus- Theaters Schrobenhausen, war 20 Jahre lang Professor an der Münchner Hochschule für Theater und Musik und kann aus dieser Tätigkeit auf eine reiche Fülle an dramaturgischen Effekten und gestalterischen Tricks zurückgreifen. Am Samstag, 5. Mai, ist Premiere für „Turandot“ in der Stadthalle Schrobenhausen.
Professor Schmitt warum ein Stück über Turandot. Wer ist das überhaupt – Turandot?
Schmitt: Der Stoff gehört sicher zur Weltliteratur. Er ist zeitlos und damit immer aktuell, auch heute. Für jemand, der sich unter Turandot gar nichts vorstellen kann: Die Prinzessin Turandot steht für einen modernen Frauentypus, der vom Partner verlangt, dass er ihr vor allem intellektuell ebenbürtig ist. Das ist in unserem Kulturkreis fast schon selbstverständlich, war es aber früher durchaus nicht.
Turandot ist also eine Frauenfigur, obwohl ihr Name eigentlich an einen Mann denken lässt.
Schmitt: Mag sein. Trotzdem ist es eine Frau, in unserem Stück eine chinesische Prinzessin, die einmal das Gelübde gemacht hat, nur einen Mann zu nehmen, der ihr in einem Rededuell überlegen ist. Schafft er das nicht, verliert er Kopf und Kragen und sein Reich dazu. Zumindest in unserem Stück ist es freilich so, dass diese Turandot keine männermordende Emanze mehr ist, sondern sie ist eigentlich ein Opfer der höfischen Diplomatie.
Was ist jetzt an diesem Stoff bzw. an der Fassung von Wolfgang Hildesheimer, für die Sie sich entschieden haben, was ist da das Aktuelle dran?
Schmitt: Es gibt negativ Aktuelles und positiv Aktuelles. Bleiben wir mal beim Negativen: z.B. Religion als moralisches Alibi für Gewalt und Unterdrückung. Das erleben wir heute doch jedes Mal, wenn wir eine Zeitung aufschlagen. Oder: Eine verlogene Informationspolitik staatlicherseits. Korrupte Staatsdiener und ein Aggressor, der unfähig zu eigenem Denken ist, der ständig also einen Berater braucht. Aber es gibt auch positiv Aktuelles: Wir finden Menschen mit Zivilcourage, die sich nicht vereinnahmen lassen. Und vor allem, das darf nicht fehlen: In dem Stück steckt eine der schönsten Liebesgeschichten der Literatur überhaupt.
Sie denken, wenn Sie solche Figuren beschreiben, doch sicher an bestimmte Personen der Zeitgeschichte: Nennen Sie doch Ross und Reiter!
Schmitt: Also ich möchte eigentlich bloß einen Namen explizit nennen. Es kommt am Schluss ein Aggressor, der das chinesische Reich erobert, der eigentlich nichts anderes kann, als dreinzuschlagen, aber wenn er eine Rede halten soll, dann braucht er jemanden, der für ihn spricht. Da denke ich stark an das heutige Amerika.
Ist das Publikum, das ja in erster Linie Unterhaltung und Entspannung sucht, ist das mit solchen abstrakten Überlegungen und intellektuellen Anforderungen nicht vielleicht ein bisschen überfordert?
Schmitt: Überhaupt nicht. Es ist festzustellen: Das Pegasustheater ist kein elitärer Kreis, sondern ein Volkstheater. Auch wenn es diesen Begriff nicht im Wappen führt. Ich fasse die fast schon entrüstete Bemerkung einer Besucherin „… aber bei euch muss man ja mitdenken!“, durchaus als Kompliment auf. Wenn die sprichwörtlichen Lachsalven oder das masochistische Schenkelklopfen ausbleiben, spricht das weder gegen das Stück noch gegen die Zuschauer.
Wie lassen sich vor allem junge Spieler für so ein Projekt motivieren? Welche Bedeutung hat der Aspekt Jugendarbeit in ihren Projekten?
Schmitt: Jugendliche lassen sich über Jahre hinweg aufbauen und vermitteln so auch eine gewisse Kontinuität. Ich habe sehr positive Erfahrungen gerade mit jungen Leuten gemacht. Und wir sind froh, dass wir jetzt den Anteil der Jugendlichen, die beim Theater mitwirken auch auf den musikalischen Bereich ausdehnen konnten: Wir sind der Musikschule Schrobenhausen sehr zu Dank verpflichtet, die uns für das spezifische Duo der Instrumentation mehrere Schüler geschickt hat. Also große Anerkennung für die Lehrer der Musikschule, die derartig offen und engagiert unser Projekt unterstützt haben!
Aus Ihrem Dank an die Musikschule in Schrobenhausen entnehme ich, dass eben wieder Livemusik – ein typisches Kennzeichen des Pegasustheaters – mit dabei ist. Wie viele machen denn mit?
Schmitt: Es ist ein Duo mit alternierender Besetzung, das heißt es spielen nicht jeden Abend dieselben Musiker. Ein Marimbaphon und Flöte. Wer nicht weiß, was ein Marimbaphon ist: So etwas wie ein großes Xylophon.
Eine abschließende Frage: Was ist es, das für Sie die Attraktivität des Theatermachens ausmacht?
Schmitt: Das Schöpferische. Man schafft sich auf der Bühne eine Art Gegenwelt. Oder auch: Die reale Welt unter dem Mikroskop der Bühne. Nachspüren, was der Einzelne dem Regisseur zu bieten hat.
Ein Regisseur darf doch auch ein bisschen lieber Gott spielen. Ist es das, was Spaß macht?
Schmitt: Ja, aber nicht in der Weise, dass man die Puppen spielen oder zappeln lässt, sondern dass man auch Freiheiten lässt. Nicht Roboter abrichtet, sondern nachspürt, was der Einzelne aufgrund einer gewissen Grundlinie, eines Grundbestandes an Talenten dem Regisseur anzubieten hat.